Von Ulan-Bator nach Moskau mit der Transsibirischen Eisenbahn

28. Juli bis 1. August 2017 - 6266 Kilometer - 99 Stunden und 35 Minuten

Ein Traum geht (Doch) in Erfüllung

Mit all unserem Gepäck warten wir auf Natsag, der uns am letzten Tag in der Zentralmongolei das Angebot machte uns vom Guesthouse an den Bahnhof in Ulan-Bator zu fahren. Gemeinsam hieven wir die Rucksäcke, die noch nie so schwer waren wir jetzt, in den uns so vertrauten Kleinbus. Am Vortag waren wir nochmals in unserem Lieblingssupermarkt und haben uns mit Essen für fünf Tage eingedeckt, da wir nicht vom Bordrestaurant abhängig sein wollen.

Am Bahnhof heißt es erst Abschied nehmen von Natsag und dann am Gleis warten, bis uns die Zugbegleiterinnen erlauben, den Zug zu betreten. Und dann hören wir zum ersten Mal die Geräusche des Zuges, die uns die nächsten fünf Tage dauerhaft begleiten werden. Unsere Fahrt nach Moskau beginnt!

 

Wir durchqueren erneut die wunderbare Landschaft der Mongolei und lernen die ersten Mitreisenden kennen. Leo, der einzige andere Europäer in unserem Abteil, der ebenfalls auf dem Heimweg seiner Langzeitreise ist sowie einen deutschsprachigen Mongolen (dessen Namen wir leider vergessen haben), der in Berlin studierte und nun Augenoptiker in der Mongolei ist. Zudem ist er aber noch etwas anderes, wie wir von ihm erfahren: Mitglied der Nationalmannschaft der Mongolei im Modellsegler-Freiflug. Und diese ist mit ihm gerade in unserem Abteil und auf dem Weg zur Weltmeisterschaft nach Ungarn.

 

Doch leider steht uns ja noch ein Grenzübertritt bevor. Nach dem Grenzübertritt China - Mongolei hatten wir erst recht nicht mehr damit gerechnet, dass es von der Mongolei nach Russland locker werden würde. Unser Gepäck sowie unser komplettes Abteil werden mehrfach kontrolliert und durchsucht. Es kommen Grenzbeamten, Soldaten und Spürhunde zum Einsatz. Die Modellsegler der Nationalmannschaft (die in großen Tragekisten verstaut sind) beanspruchen alleine einen Beamten, der Papiere für die Einfuhr verlangt und die Kisten öffnet. Als wir gerade "schon" glauben, es ist alles vorbei und wir können die Grenze passieren, kommen erneut Beamte in den Zug und verlangen die Pässe von Armin und mir sowie Leo erneut. Hier merkt man, wie groß die Freundschaft zwischen Deutschland und Russland ist! Wir sind die einzigen drei Deutschen und nur wir werden in unserem Abteil ein weiteres Mal kontrolliert und auf russisch befragt. Die fehlende Antwort versuchen wir durch einen freundlichen Gesichtsausdruck wett zu machen. Und ob das zieht, oder einfach die Tatsache, dass mit unseren Papieren und unserem Visum tatsächlich einfach alles in Ordnung ist - wir dürfen schließlich weiter fahren und sind nun tatsächlich in diesem Land, dass es uns von allen Ländern, die wir in diesem Jahr besucht haben, am schwersten gemacht hat, es zu besuchen.

Im Nachhinein erfahren wir, dass es tatsächlich nicht jeder über die Grenze geschafft hat - zwei Kanadierinnen mussten beispielsweise den Zug verlassen, da sie irrtümlich erst ein Visum ab ihrem Ankunftstag in Moskau beantragt hatten und die Tage im Zug nicht eingeplant hatten. Wie ihre Geschichte ausgegangen ist, werden wir leider wohl nie erfahren.

Als wir nach unserer ersten Nacht erwachen, hat sich die Landschaft bereits verändert. Nun sind wir also in Sibirien. Man sieht Bäume und Wälder sowie in regelmäßigen Abständen kleine Siedlungen. Als mir die ersten bunten Holzhäuschen mit ihren wunderbaren Gärten - voll mit Blumen, Gemüse und Obst - auffallen, fühle ich mich in ein Märchen versetzt. Zudem faszinieren mich die Wildblumen, die um die Zugstrecke herum wie große Teppiche wachsen. Vielleicht trägt dieser Eindruck zum Zauber der Transsib bei?!

Und dann erreichen wir den Baikalsee, den tiefsten Süßwassersee der Erde und werden doch etwas wehmütig, dass es uns mit unserem Visum nicht möglich ist, hier zwei oder drei Tage zu verbringen. Als wir mit der Transsib direkt am Ufer entlang fahren, können wir sehen wie klar das Wasser ist. Und seine Farbe erinnert uns fast ein wenig ans Meer in Mexiko! 

Nach Irkutsk ist der Zug deutlich leerer. Uns verlassen sowohl Leo, der hier eine Nacht verbringt wie auch die Nationalmannschaft der Mongolei, die von hier aus fliegt (Flüge seien von Russland aus billiger). Die restlichen Mitreisenden unseres Waggons steigen in Novosibirsk aus. Für die zweite Hälfte unserer Reise haben wir also einen ganzen Waggon nur für uns.

Es ist ruhig in unserem Waggon. Wir lassen uns auf den monotonen Rhythmus des Zuges ein. Sowohl das Ruckeln wie auch die Geräusche, die sich fast wie der Pulsschlag des Zuges anhören, haben etwas beruhigendes. Wir kommen zur Ruhe und schlafen jede der vier Nächte wunderbar, auch wenn die Matratzen etwas weicher sein könnten. Was haben wir zu tun? Nichts und das Genießen wir. Wir steigen an jedem Bahnhof aus (der Zug stoppt im Schnitt etwa alle 5 Stunden), treffen uns Abends mit Daniel und Markus, die vier Waggons weiter "wohnen" einmal bei ihnen und einmal bei uns (um auch einen Vergleich zwischen erster und zweiter Klasse zu haben) und genießen gemeinsam die Zeit in der Transsib, Essen (ja das tut man doch häufiger als sonst vielleicht), Lösen zum ersten Mal in unserem Leben den Zauberwürfel und schauen oft auch einfach nur aus dem Fenster.

Dort weichen die kleinen Holzhäuchen immer mehr großen Plattenbausiedlungen und Städten. Erst jetzt kommen immer mehr die uns angekündigten Birkenwälder und wir finden sie schön und nicht etwa langweilig.

Nach 6266 Kilometern und 99 Stunden und 35 Minuten erreichen wir Moskau. Wir haben gemischte Gefühle. In der Transsib fühlte man sich etwas in einer Parallelwelt, in der Zeit keine Rolle zu spielen schien, in der es jedoch auch keine Dusche gibt und man doch irgendwann alle Variationen, der Nudelsuppen-Zubereitung sowie der am Bahnhof erhältlichen Brote, ausprobiert hat. Also heißt es für uns ersteinmal, etwas zu Essen zu suchen und dann ins Hostel, bevor wir am folgenden Tag, Moskau besichtigen möchten.

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