19. Juli 2017

Von Peking nach Ulan-Bator mit der Transmongolischen Eisenbahn

1561 Kilometer - 27 Stunden und 13 Minuten

Nun ist es also so weit! Wir fahren tatsächlich mit dem Zug in die Mongolei und hoffen vor Ort Zugtickets für die Weiterfahrt nach Moskau sowie das Russland-Visum zu erhalten.

Dieser erste Abschnitt soll einer der schönsten der Strecke "Peking - Moskau" sein und so sind wir gespannt, was uns erwartet. Aber nicht nur auf die Landschaften sind wir gespannt, sondern auch ob wir in unserem 4Bett-Abteil Mitreisende haben werden und falls ja, wen. Des Öfteren haben wir von Anderen gehört, dass man hier durchaus "Pech" haben kann - so hatten andere Zugreisende schnarchende Mitreisende, Schlafwandler und auch Knoblauchliebhaber. Und das kann die Fahrt in den doch recht kleinen Abteilen schnell länger wirken lassen, als sie ist!

 

So steigen wir in Peking am Bahnhof in den Zug ein und warten gespannt ab.

Wir haben eindeutig Glück. Unsere Begleitung für die nächsten Stunden sind zwei Südkoreaner, wovon einer - wie sich schnell herausstellt - sogar etwas deutsch spricht! Sie sind ebenfalls Lehrer und fahren von Südkorea nach Portugal und zurück - mit der Bahn aber ohne Geld. Für sie ist das eine Art Bildungsreise, weswegen wir in den nächsten Stunden viel über deutsche Autoren, deutsche Geschichte und allgemein das Leben in Deutschland sprechen. Als ich Kim Young-Ju und Yoo Ji Hyun auf Nachfrage, was die Deutschen von den großen Autoren wie Thomas Mann, Friedrich Schiller oder Hermann Hesse halten, antworte, dass diese Namen dem Durchschnittsdeutschen zwar durchaus bekannt sind, deren Werke aber nicht wirklich das ist, was der Großteil in seiner Freizeit liest sondern eher gezwungenermaßen in der Schulzeit, sind beide zutiefst überrascht. Sie fragen, was wir denn dann lesen würden. Ich beginne bei dem für mich wohl bedeutendsten Kinderbuchautoren Otfried Preußler und Ende bei den skandinavischen Krimiautoren Stieg Larsson, Jussi Adler-Olsen und Henning Mankell. Als wir bei Rita Falks Buch "Winterkartoffelknödel" ankommen, schüttelt Kim ungläubig den Kopf und beginnt zu lachen. Fleißig wird alles mitgeschrieben (auch das Wort Winterkartoffelknödel) und glaube, das Bild der Südkoreaner von den Deutschen hat sich während dieser Zugfahrt verändert.

 

Uns wird im Gegenzug beigebracht, dass die koreanischen Schriftzeichen zu 60 Prozent identisch mit den chinesischen sind. Als es jedoch darum geht, uns diese beizubringen, müssen wir aufgeben. Dazu reicht die Dauer dieser Zugfahrt eindeutig nicht. Zudem verlassen uns unsere angenehmen Gesprächspartner kurz nach dem Grenzbahnhof, so dass wir auf weitere Unterrichtsstunden verzichten müssen - aber dafür unser Abteil zum Schlafen für uns haben.

Umwerfende Landschaften rasen an uns vorbei

Auch in Bezug auf die Landschaften, durch die uns unser ständig leicht ruckelnder Zug fährt, werden wir nicht enttäuscht.

Zu Beginn überraschen uns die Gebirge Chinas. Wir hören schnell auf, die Tunnel zu zählen und freuen uns wie Kinder, als wir etwa beim zehnten Tunnel entdecken, dass es tatsächlich einen Lichtschalter in unserer Kabine gibt und wir zukünftig nicht mehr im Dunkeln sitzen müssen, während wir einen Tunnel durchqueren.

 

Im Anschluss wird die Landschaft nach und nach immer flacher und trockener. Da der Grenzübertritt mitten in der Nacht erfolgt, sehen wir von der Mongolei erst morgens etwas. Als wir aufwachen und den Vorhang am Fenster unserer Kabine zurückziehen, durchqueren wir gerade die Wüste Gobi. Ich sitze ´sprachlos am Fenster und versuche mir diesen Moment für immer einzuprägen.

 

Mir fällt es schwer, während dem Frühstück nicht dauerhaft aufzuspringen um neue Fotos zu machen, da ich so überwältigt bin von der sich schon wieder verändernden Landschaft. Es wird wieder hügeliger und grüner - überdeckt von einem strahlend blauen Himmel! Ab und zu galoppieren Wildpferde neben unserem Zug oder man entdeckt im grünen Nichts eine Jurte. Wir sind eindeutig in der Mongolei angekommen.

Interessante Zwischenstopps

Immer wieder halten wir natürlich an verschiedenen Bahnhöfen, wobei "Erlian" - der Grenzbahnhof - wohl mit Abstand der interessanteste Stopp ist. Viel hatten wir davor über den Grenzübertritt gelesen und hatten uns schon darauf eingestellt, dass er anders werden würde, als die Grenzübergänge in Südamerika oder Südostasien. Aber dass er so anders werden würde, damit hatten wir nicht gerechnet. Die Aus- und Einreise hat im Endeffekt über 6 Stunden gedauert. Warum? Fangen wir mit der Ausreise aus China an.

 

Um 21.30 Uhr stoppt der Zug in Erlian. Mittlerweile ist es vollständig dunkel und im Gegensatz zu den vorherigen Bahnhöfen bleiben die Türen geschlossen. Nach einiger Zeit, in der nichts passiert und wir und alle anderen Mitreisenden auf dem Gang versuchen zu beobachten, was draußen vor sich geht, weist uns unsere chinesische Zugbegleiterin an, in unsere Abteile zurück zu gehen und dort zu warten.

Ohne großartige Begrüßung erscheint irgendwann eine chinesische Beamtin und verlangt nach unseren Pässen, die sie kurz überprüft, wortlos mit sich nimmt und damit den Zug verlässt. Dank unseres deutsch- und chinesisch-sprachigen Südkoreaners, erfahren wir im Anschluss, dass die Dame mit unseren Pässen in zwei Stunden zurückkehren würde. Nun wird es uns zumindest erlaubt, den Zug zu verlassen. Weit kommen wir jedoch nicht. Im Bahnhofsgebäude halten uns chinesische Sicherheitsbeamte auf. Nicht, weil wir etwas falsch gemacht hätten oder sie uns nochmals kontrollieren wollen. Nein, sie bitten mich um ein Foto mit einem von ihnen. Wir sollen, wie ich von unserem mittlerweile etablierten Übersetzer erfahre, eine Situation nachstellen, in der der Beamte einer westlichen Touristin weiterhilft. Das Foto solle als Werbung für diesen neu errichteten Bahnhof dienen, weshalb ein Fotograf mit professioneller Kamera vor Ort ist und uns mehrfach in Position bringt. Als das Shooting beendet ist, Armin und Kim schnell in einem Supermarkt ein paar Hopfengetränke erworben haben und wir zurück in den Zug wollen, wird uns verwehrt das Bahnhofsgebäude zu verlassen. Warum, ist uns nicht wirklich klar, aber so verbringen wir die nächste halbe Stunde getrennt durch eine Glasfront von den anderen Reisenden auf dem Gleis. Als wir dann endlich wieder den Zug besteigen dürfen, sind wir überrascht, als der Zug plötzlich losfährt. Erstens befinden sich manche Mitreisende und zweitens auch unsere Pässe immer noch im Bahnhofsgebäude. 

Als der Zug nach etwa zehnminütiger Fahrt in eine Maschinenhalle fährt, versuchen wir herauszufinden, was nun vor sich geht. Als wir entdecken, dass alle Waggons voneinander getrennt und dann angehoben werden, glauben wir uns daran zu erinnern, dass die Gleis-Spurbreite in China und den ehemaligen Sowjetstaaten verschieden ist. Und tatsächlich: an unserem Zug werden die Räder gewechselt! Als dies geschafft ist, geht es zurück an den Bahnhof nach Erlian, um die fehlenden Mitreisenden und unsere Pässe einzusammeln. Die Ausreise aus China haben wir zumindest geschafft. Es ist mittlerweile 1 Uhr nachts.

 

Kurze Zeit später erreichen wir Zamiin-Uud - den Grenzbahnhof auf mongolischer Seite. Das selbe Spiel beginnt von vorne: ein nicht wirklich freundlicher Grenzbeamte sammelt unsere Pässe ein, wir dürfen nicht aussteigen und dieses Mal erfolgt zudem eine Gepäckkontrolle durch mongolische Grenzsoldaten, die durch den Zug patroullieren. Bis wir den Pass wiederum 2 Stunden später zurück bekommen, müssen wir dieses Mal jedoch im Zug bleiben. Hierbei muss man vielleicht erwähnen, dass die Zugtoiletten an Bahnhöfen immer verschlossen werden, so dass die lange Wartezeit langsam aber sicher sehr anstrengend werden kann. So waren wohl alle im Zug erleichtert, als es um 3.30 Uhr endlich weiter ging. 

am Ziel: Ulan-Bator

Nach über 27 Stunden entdecken wir erst in der Ferne und dann immer näher, die Vororte Ulan-Bators, der Hauptstadt der Mongolei und dem Wohnort der Hälfte aller Mongolen. Wir stehen am Fenster des Zuges und staunen, als wir im Randbezirk Jurten (wobei das mongolische Wort hierfür Ger ist) entdecken. So hatten wir uns Ulan-Bator nicht vorgestellt. Doch umso näher wir dem Bahnhof kommen, desto mehr Hochhäuser sehen wir. Doch zur Stadt Ulan-Bator und zu unserem Aufenthalt in der Mongolei im folgenden Reisebericht mehr.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0